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Reisetagebuch
Von Claresholm bis Lillooet
Montag, 16. September 2013
Wir hatten alle beide heute
Morgen eine wirklich grossartige Douche und starten darum entsprechend
euphorisch mit unserer nächsten Etappe. Wir wollen zurück auf den Cowboy Trail.
Unsere Platzchefin hat uns gestern Abend mit einem liebenswürdigen Lächeln
erklärt, dass uns die vor der Haustüre liegende 520 dahin führen werde. Das sei
allerdings schon bald eine Gravel Road. Und da werde unser Motorhome richtig
staubig, aber wir werden die Strecke ganz bestimmt mögen. Wir lächeln ebenso
liebenswürdig zurück, denn unser Motorhome ist schon gewaltig staubig. Und zwar
innen und aussen. Unser Motto heisst also heute „mehr Staub“ und wir fahren mit
unserem Planwagen durch die Prärie vorbei an Büffeln, Indianer und Cowboys. Und
geniessen die langsame, holprige aber tolle Fahrt vielleicht sogar mehr als den
kürzlichen Einkaufsbummel in Jasper.
In Lundbreck wird unser Wohnmobil dann aber
richtig nass. Wir haben nämlich endlich eine Waschgelegenheit für unseren
Sunseeker gefunden und investieren dafür neun Loonies. Anschliessend sieht das
Teil von aussen schon fast wieder manierlich aus. In Pincher Creek ergänzen wir
unsere Vorräte und lassen die Hufeisen kontrollieren. Und weiter geht’s
Richtung Hill Spring. Dort übernachten wir auf dem Great Canadian Barn Dance Campground.
Den heftigen Wind nutzen wir, um unser Motorhome auch innen gründlich zu entstauben.
Vor allem unsere „Garage“ hat eine regelrechte Patina angesetzt. Die ist jetzt
wie weggeblasen. Und MonCa’s Koffer, er hat seinerzeit Vancouver nur mit einer
argen Havarie erreicht, sieht nach einigen richtig heftigen Interventionen mit
dem Beil vom Home Hardware Store in Burns Lake fast wieder aus wie ein
richtiger Koffer. Er wird so seine Zwecke dann hoffentlich auch auf der
Rückreise erfüllen. Diese ist allerdings noch in weiter Ferne. Wir haben eben
erst unsere vierte Ferienwoche lanciert.
Trotz den heftigen Winden
entfachen wir unser Lagerfeuer und braten ein echt bäumiges und dabei erst noch
wirklich günstiges Angus Steak (Kilo-Preis rund CAN$ 29.00 – allerdings nur im
Sonderangebot, sonst um die CAN$ 42.00). Angesichts dieser Realitäten kann ich mir kaum vorstellen,
dass es in diesem Land ernsthaft Vegetarier gibt.
… und P.S.: Einige Angaben
zu unserer Aufgabenverteilung:
- Abwaschen: MonCa
- Abtrocknen: hie und da Markus
- Anmelden auf dem Campground: Markus
- Backen: MonCa (ausschliesslich, und zwar je länger je besser)
- Douchen: jeder selber
- Fahren: Markus (ausschliesslich, jedoch ausschliesslich nach Anweisungen von
MonCa)
- Feuer (mit allen Nebenaufgaben): Markus
- Kochen: MonCa (ausschliesslich, inkl. Planung und Einkauf der Roh-, Halb- und
Fertigprodukte, eingeschränktes Vorschlagsrecht für Markus)
- Log- und Tagebuch (inkl. Ausgabenkontrolle): MonCa
- Navigation: MonCa und GPS Garmin ZÜMO 550, mit Stichentscheid zugunsten MonCa
- Wischen: Markus
- Waschen: MonCa
Dienstag, 17. September 2013
Unsere Reise geht weiter
Richtung Waterton National Park. Der liegt an der Grenze zu den USA wo er
auf der anderen Seite der Grenze nahtlos in den Glacier National Park
übergeht. Wir bleiben aber in Kanada und verbringen einige Stunden im Park. In
dieser Zeit fotografieren wir Bär zwölf bis fünfzehn, einen Wasserfall, das Prince
of Wales Hotel (bereits geschlossen) und diverse andere Motive.
Auf der Strecke
zurück nach Pincher Creek reihen sich noch rund zwanzig Bisons in unseren
virtuellen Zoo. Diese Bisons leben zwar nicht in Freiheit aber in einem
riesigen Gelände, welches man mit dem Fahrzeug durchfährt. Fussgänger,
Velofahrer und Motorradfahrer haben keinen Zutritt. Die Viecher sollen zuweilen
nicht eben friedliebend sein. Vom Verlassen des Fahrzeugs wird darum
ausdrücklich abgeraten. Wir kommen zwar nicht näher als etwa 300m an die Tiere
heran. Aber auch aus dieser Distanz vermitteln sie einen durchaus massigen und Respekt einflössenden Eindruck.
Die Fahrt führt in westlicher Richtung über den
Crowsnest Highway. So wird auch der vor uns liegende Pass genannt. Der Begriff
geht auf die hier ansässigen Crow-Indianer zurück. Angeblich soll die Umgebung
für Archäologen eine wahre Fundgrube sein. Die ältesten Spuren menschlicher
Besiedlung konnten in die Zeit um 11‘000 vor Christus datiert werden.
Die
Passhöhe ist mit 1356 m keine wirkliche Herausforderung. Wir sind in den
vergangenen zwei Tagen nie unter 1000 Höhenmeter gesunken. Die Steigung zur
Passhöhe verliert sich darum im üblichen auf und ab.
Oberhalb der Ortschaft Frank
besuchen wir auf einem riesigen Trümmerfeld das Frank Slide Interpretive Center,
ein grosses Besucherzentrum, welches an eine Tragödie vom Winter 1903 erinnert.
Vom südlich liegenden Turtle Mountain sind damals 82 Millionen Tonnen Gestein
abgestürzt und haben den Ostteil des
Dorfes und an die siebzig Personen unter sich begraben. Es ist der folgenschwerste
Bergsturz Kanadas.
Kurz darauf erreichen wir Blairmore, wo wir auf dem Lost
Lemon RV Park und Campground übernachten. Dieser wird von Roland und Marianne
Hirschi geführt. Die beiden sind vor etwas mehr als 10 Jahren aus der Schweiz
ausgewandert, mit dem Ziel ein Motel oder ein Campingplatz hier in der Gegend zu
übernehmen. Sie haben sich dann für einen Campingplatz entschieden, weil sie
lieber Rasen mähen als Zimmer putzen...
Mittwoch, 18. September 2013
Mit der Nacht ist auch der Regen eingetroffen. Es hat die ganze Nacht durchgeregnet. Gegen Morgen hat dann das Trommeln der Regentropfen auf die
Dachluke deutlich nachgelassen. Wir staunen, als wir den Grund erkennen: Der
Regen ist in ein Schneeregen übergegangen. Bei unserer Abfahrt sind die uns
umgebenden Hänge weiss. Das war jetzt eine jähe Wetterverschlechterung, welche
zwar prognostiziert wurde, uns aber in der Heftigkeit überrascht und gezwungen hat, unser Tenue entsprechend zu
adaptieren. Socken und lange Hosen sind jetzt „in“, die Sonnenbrille dagegen „out“.
In Sparwood treffen wir auf den „grössten Truck der Welt“. Das war sicher so,
als er gebaut wurde. Ob das heute noch stimmt, ist ungesichert. Weiter
westwärts besuchen wir Fort Steel Heritage Town. Das Fort wurde 1887 als erster
Posten der North-West Mounted Police gegründet und nach seinem Superintendenten
Samuel B. Steele benannt. Später entstand daraus eine kleine Stadt, welche seit
Mitte des vergangenen Jahrhunderts als Museumsdorf betrieben wird, so wie es in
den 1890er Jahren existiert hat. Es handelt sich um insgesamt über 60 Gebäude
in diesem Freilichtmuseum. Auch hier sind die Mitarbeiter kostümiert, zeigen
teilweise altes Handwerk und erzählen gerne Geschichten über das damalige oder ihr eigenes Leben.
Einer der betagten Guides spricht mich auf meine
Ende August in Steward erworbene Baseballmütze mit der Aufschrift „Hyder“ an.
Ob ich auch „hyderized“ worden sei? Das ist eine Prozedur in einer Bar in
Hyder, bei welcher man einige Gläser höchstprozentiger Kornschnaps nach hinten
kippt und dann dafür ein Diplom erhält. Ich verneine und er vertraut uns an,
dass er das halt damals gemacht habe, als er noch „young and foolish“ gewesen.
Jung sei er jetzt aber nicht mehr… Hier
und jetzt in Fort Steel sind alle Beteiligten nüchtern und völlig präsent. Und
doch ist der Besuch an diesem verregneten, kühlen Tag in der Nebensaison nicht
eine überwältigende Erfahrung. Vor allem während der Hochsaison wird anscheinend
ein bedeutend tolleres Programm geboten.
Wir
übernachten im Mount Baker RV Park in Cranbrook. Einige Mondstrahlen, welche
durch die dicke Wolkendecke schimmern, lassen uns in Bezug auf das Wetter für
morgen wieder Besserung erhoffen.
Donnerstag, 19. September 2013
Unsere Hoffnungen haben sich
erfüllt. Die Sonne begleitet uns wieder. Die Temperaturen sind allerdings noch
nicht dort, wo sie noch vor wenigen Tagen waren. Und werden sie wohl diese
Saison hier auch nicht mehr sein. Unsere Fahrt geht auf dem Crowsnest Highway
(Nr. 3) nach Westen. In Creston kaufen wir Gemüse und Früchte, welches hier von
den Produzenten selber angeboten wird. Wir sind nun auf ca. 600 m Höhe über
Meer und offensichtlich sind die Voraussetzungen für den Anbau entsprechend
günstig.
Dann geht es aber wieder in die Höhe. Rampenmässig, ohne grosse Kurven
geht’s Richtung Kootenay Pass. Der ist mit 1‘774 m ein für diese Gegend
respektabler Übergang. Und rampenmässig geht es auch wieder runter. Bei diesem
starken Gefälle kommt nun der
Tow Haul Mode
unseres Ford E-450 voll zum Tragen und entlastet die Bremen wesentlich
.
Anschliessend verlassen wir den Crowsnest Highway für
einige Kilometer und machen einen Abstecher nach Nelson. MonCa will die Baker
Street kennenlernen. Uns fallen die diversen etwas speziell/schrägen „Künstlertypen“
auf, die hier die Gegend schmücken. Auch das Ladenangebot geht eher Richtung esoterisch
kulturelle Selbstverwirklichung. Trotzdem findet MonCa hier einen federleichten
(oder noch besser indianerleichten) Savannenhuscher der M-Connect Series von
Merrell. Und wir lernen daraus, dass
Kommerz durchaus auch an der Baker Street in Nelson vertreten ist, wenn man
denn nur hartnäckig genug sucht...
Wir erreichen bald unser Ziel: Den Castlegar
Cabins, RV Park und Campground etwas ausserhalb von Castlegar direkt am Crowsnest
Highway. Unser Host runzelt zwar die Stirn und meint, sie seien im Moment doch
sehr gut gebucht. Er hätte nur den „Jeff Daniels Platz“ noch frei. Ich verstehe
nur Bahnhof. Es stellt sich heraus, dass auf dem Stellplatz Nr. 24 mal der
US-Schauspieler Jeff Daniels genächtigt habe. Und seither werde der halt bei
ihnen „Jeff Daniels Platz“ genannt. Und eben dieser Platz wird uns nun
zugewiesen. Ich orientiere mich im Internet, wer der Kerl ist und gehe davon
aus, dass unsere Träume heute Nacht besonders Hollywood-lastig werden.
Freitag, 20. September 2013
Zuerst geht es wieder
bergauf über den 1535 Meter hohen Bonanza Pass. Auf der anderen Seite wartet
der Christina Lake. Das sei der wärmste Badesee Kanadas. Obwohl das Wetter
wieder fast den alten Glanz erreicht, testen wir das nicht konkret.
In Grand Forks besuchen wir
den Farmers Market. Mit viel Enthusiasmus wird an einfachen Ständen ein sehr
beschränktes Angebot offeriert. Dabeisein und miteinander diskutieren scheint
mindestens so wichtig wie verkaufen.
Die nächste Station ist
Greenwood, welches als „Canada’s smallest City“ angepriesen wird. Ein einfaches
Dorf, das in der Vergangenheit stehen geblieben ist und vor 120 Jahren über
2000 Personen beherbergt hat. In der Gegenwart versucht eine kleine Zahl
tapferer Einheimischer das Dorf mit dem Wildwest-Charakter am Leben zu
erhalten. Mit begrenztem Erfolg aber unsere Sympathie ist ihnen gewiss.
Der Crowsnest Highway führt weiter westwärts. In diversen Windungen und
über weitere Pässe geht es mehr oder weniger der US-Grenze entlang weiter bis
nach Osoyoos. Das ist das Südende des Okanagan Valley. Die Gegend profitiert
von einem besonders milden Klima. Neben Obstplantagen florieren auch die
Weingüter. Das werden wir morgen weitererkunden. Wir verbringen die Nacht im Nk’Mip
RV Park am Osoyoos Lake und geniessen den direktem Seeanstoss.
Samstag, 21. September 2013
Wir übernachten im Svan Lake
RV Park & Campground, nördlich von Vernon. Das Nachtessen hat überaus gut
geschmeckt und war ein Joint Venture zwischen MonCa und MS1. Zuständig für den exzellenten
Härdöpfel-Grattin und die exquisiten Rüebli war MonCa. Zuständig für Feuer und
ordentlich gegrillte Würste war entsprechend unserer bewährten Arbeitsteilung MS1.
Mittlerweilen ist es übrigens anhand von Selbstversuchen empirisch bewiesen: Du
kannst die drei kleinen Bierchen so langsam trinken wie du willst, das Feuer
brennt nicht schneller. Und die Glut braucht einfach ihre Zeit…
Meine langjährige Pfadiausbildung
nützt übrigens in Sachen Feuer hier in Kanada rein gar nichts. Mit Zeitungen,
trockenem Kleinholz und Pusten gibt man sich in diesem Lande nämlich nicht ab. Hier
nimmt man gescheite Holzscheite der Sorte „massiv“ und gibt reichlich „Charcoal
Starter Fluid“ dazu. Die alte Holzkohle vom Vorabend kann man damit auch noch
tüchtig durchnässen. Und dann braucht es nur noch eine Flamme. Das Feuerchen
entzündet sich ganz langsam und manierlich und hört nicht mehr auf zu brennen, bis
die Glut eben gar ist. Und wenn schon, dann lieber ein paar massive Holzscheite mehr, damit das Feuer ordentlich was her
gibt. Alles andere ist unkanadisch und das habe ich jetzt definitiv gelernt.
Die Fahrt bis zu unserem
Nachtlager war kurzweilig, führte durch fruchtbare Anbaugebiete und
sonnendurchflutetes Land. Ein besonderer Moment auf unserer heutigen Tour war
die Begegnung mit der Ortschaft „Summerland“. Irgendwie fühlen wir uns damit
ganz besonders verbunden …
Sonntag, 20. September 2013
Von Vernon fahren wir bei
leichtem Regen in nördlicher Richtung bis Sicamous. Das Kapital des Ortes ist
der Shuswap Lake, einem See mit ungewöhnlicher Form und über 1‘000 km einsamer,
bewaldeter Uferlinie mit unzähligen Buchten. Sicamous nennt sich „Houseboat
Capital of Canada“. Und da liegen sie alle die vielen grossen Hausboote. Zu
dieser Jahreszeit sind nur wenige unterwegs auf dem See zu sehen.
Jetzt biegen wir in den Trans-Canada
Highway ( Highway Number One) ein. Wir fahren westwärts. Nach Kamloops ändert
die Landschaft. Wir sind bald in einer trockenen, beinahe wüstenähnlichen
Gegend unterwegs. Schilder warnen vor Klapperschlangen. Auf einer Hochebene beobachten wir zwei lange Güterzüge,
welche in entgegengesetzter Richtung unterwegs sind und sich kreuzen. An
anderer Stelle haben wir mal die Länge eines solchen Zuges eruiert. Da waren es
zwei Kilometer. Wir nehmen an, die beiden Züge sind ähnlich lang.
Wir verlassen bei Cache
Creek den Trans-Canada Highway wieder
und fahren auf der 99 bis Lillooet. Wir übernachten auf dem unbedienten Fraser
Cove Campground am Fraser River.
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