Reisetagebuch
Von Lillooet bis Toronto

Montag, 23. September 2013

Wir haben Manuel zu spät schlafender Kanadierzeit und früh morgendlicher Schweizerzeit erreicht und ihm telefonisch zum Geburtstag gratuliert. Dann ging's ab in die Heja.

Kaum von unserem Nachtlager abgefahren, greift mein indianischer Scout und Fährtenleser MonCa ein: „Du hast die Abzweigung verpasst“ lautet recht unromantisch und süffisant das Verdikt. Für einen Sekundenbruchteil erwäge ich zu widersprechen. Ein weiterer Sekundenbruchteil später ist meinem Bewusstsein einwandfrei klar, dass solches Tun nutzlos und echt kontraproduktiv ist. Ich storniere alle geplanten Äusserungen zeitverzugslos und leite das Wendemanöver ein
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Dann geht es in die Berge auf dem Highway 99 Richtung Whistler. Das ist jetzt eine Berg- und Talfahrt von der spannenderen Sorte. Wir gewinnen rasch an Höhe, um sie teilweise wieder zu verlieren. Rauf und runter. Die Schneegrenze kommt trotzdem rasch näher und ich frage mich, wie hoch den Whistler liegen wird. Die Überraschung folgt bei einer Höhe von 1‘300 m. Innert kürzest möglicher Zeit werden 1‘100 Höhenmeter vernichtet bei einem Gefälle bis 15 %. Wir kennen aus eigener Erfahrungen nur eine steilere Strecke: Der Wurzenpass zwischen Österreich (Villach) und Slowenien (Kranjska Gora) mit maximalen18% Steigung/Gefälle. Da sortierst du am Abend aber das Besteck neu in der Schublade

Whistler selber ist ein für uns wenig interessantes Winterskiressort. Wir machen eine kleine Runde durch den Ort und staunen immerhin ob der Grösse von eigentlich allem. Wir finden dann aber auch relativ rasch wieder den Ausgang und fahren weiter. Das nächste Ziel ist der Whistler Olympic Park, Austragungsort von Skisprung, Langlauf und Biathlon Wettkämpfen der Winter Olympiade 2010. Wir werden sportlich aktiv und duellieren uns im Biathlon Schiessen. MonCa gewinnt mit knappem Vorsprung. Klar, mit dem Indianderblut in den Adern. Zudem hat sie sich mit der Nikon in den vergangenen vier Wochen natürlich regelrecht warm geschossen.

Dann geht die Fahrt wieder abwärts und bald kommt der Pazifik in Sicht. Da auch das Wetter wieder etwas Sonnenglanz beisteuert, ist das ein eindrückliches Bild zum Geniessen. In Horseshoe Bay klären wir Details für eine Überfahrt nach Vancouver Island und übernachten später auf dem Capilano River R.V. Park an der Tomahawk Avenue in West Vancouver.


Dienstag, 24. September 2013

Wir stehen in aller Herrgottsfrühe auf und starten um 09.30 Uhr Richtung Horseshoe Bay. Für die Überfahrt nach Vancouver Island wird unsere schon arg strapazierte Kreditkarte mit weiteren CAN$ 129.35 belastet. Die Fähre legt fahrplanmässig um 10.40 Uhr ab. Die Überfahrt nach Nanaimo dauert 100 Minuten.

Wir fahren dem Ostufer entlang nordwärts bis Parksville und biegen dann westwärts nach Port Alberni ab. Port Alberni liegt am Ende eines Fjords, welcher sich über 50 km ins Landesinnere windet. Das Wetter wechselt rasch. Da wir überdurchschnittlich üppig mit Wasser von oben versorgt werden, erhalten die wunderbaren Seen auf der Strecke eigentlich nicht die ihnen zustehende Aufmerksamkeit. Wir besuchen den Little Qualicum Falls Provincial Park, freuen uns über die kleineren Wasserfällen, Stromschnellen und eine temporäre Sonneneinheit im richtigen Moment. Auch der MacMillan Provincial Park wird besucht. Wir machen einen Spaziergang durch Cathedral Grove, ein kleines Waldgebiet mit teilweise bis zu 800 jährigen und 75m hohen Douglastannen. Früher dominierten diese aussertropischen Regenwälder die ganze Insel, fielen jedoch (oder fallen gar immer noch) Axt und Säge zum Opfer.

Wir fahren zurück an die Ostküste von Vancouver Island und übernachten im Paradiese Sea Side Resort in Parksville. Nachdem wir in den vergangenen Tagen Seen und Flüsse vor der Haustüre gehabt haben, ist es diesmal das Meer. Bei dieser paradiesischen Umgebung lässt sich auch unsere Küchencrew nicht lumpen und wir geniessen ein maximales Vier Stern Menu, begleitet von einem klitzekleinen Gläschen kanadischem Wein. Und dann geht’s an die Hausaufgaben.

Mittwoch, 25. September 2013

Wir starten bei schönstem Wetter Richtung Victoria und finden uns schon bald in einem Warenhaus wieder. Es gilt noch einige Besorgungen zu machen, damit unser Motorhome wieder ordnungsgemäss übergeben werden kann. MonCa bleibt in der Kleinkinderabteilung hängen. Da besteht nun natürlich gar kein Zusammenhang mit unserem Motorhome, gibt mir aber die Gelegenheit kurz zu rekognoszieren. Ich stelle fest, dass an das Warenhaus noch ein gröberes Einkaufszentrum angegliedert ist. Wir wissen heute noch nicht, wie gross das Teil wirklich war. Wir hatten schlicht und einfach nicht genügend Zeit, um das alles gebührend auszukundschaften.

Nächster Halt ist eine Waschanlage. Es ist nicht ganz einfach unser Riesenbaby zu waschen. Gestern haben wir die Einfahrt in eine Waschbox mit völlig genügender Höhe auf rigorose Anweisung von MonCa abgebrochen. Es ging ein wirklich ganz liebvolles und zartes Küsschen von unserem linken Aufbau über der Fahrerkabine mit der durchaus attraktiven Waschboxmauer voraus. Und das nur darum, weil sich das Bedienpersonal MS1und2 ausschliesslich um einen etwas langweiligen aber gut gebauten Pfosten rechts neben der Einfahrt kümmerte, welcher ganz offensichtlich mit unserem Sunseeker flirtete und ihm dabei immer näher kam. Von solchen zärtlichen Liebeleien werden wir aber heute verschont. Wir rücken dem Schmutz und Dreck und Insektenfriedhof mit vielen Loonies und sämtlichen verfügbaren Mitteln zu Leib.
 

Donnerstag, 26. September 2013

Wir sind zwar nicht mit den Hühnern zu Bett gegangen, vermutlich aber deutlich vor ihnen aufgestanden. Bei unserer Abfahrt vom Beach Cumber Camp Ground um 09.30 Uhr ist jedenfalls weit und breit kein solches zu erblicken. Zeitgerecht erreichten wir die Fähre Swartz Bay – Tsawwassen (nein, das sind keine Tippfehler!) und ergattern ein Ticket. Wir bezahlen zwar exakt CAN$ 0.30 weniger als bei der  Hinfahrt. Trotzdem ist diese Route viel  abwechslungsreicher und landschaftlich deutlich reizvoller. Einmal mehr trägt auch das tolle Wetter das seinige dazu bei.

Bereits um 13.30 Uhr erreichen wir den Pacific Border RV Park in Surrey. Ein ganz spezieller Platz. Einerseits hat er eine erstklassige und umfangreiche Infrastruktur (O-Ton Campingführer: „Best of the best!“). Andererseits ist seine Lage schon sehr speziell. Das südliche Ende des Parks ist nämlich lediglich eine Strasse von der Grenze Canada – USA entfernt. Aber keine Strassenlänge sondern eine Strassenbreite. Sinnigerweise trägt diese den treffenden Namen „Zero Avenue“. Unser Host hat uns zwar einen Spaziergang an den Pazifik auf dieser Strasse (exakt eine Meile) sehr empfohlen. Gleichzeitig warnt sie eindringlich davon, einen unerlaubten Grenzübertritt zu wagen. Sie illustriert die dringende Empfehlung mit einer schönen Geschichte über ihrem Bruder, der bei seinem Spaziergang zum Pazifik von der United States Border Patrol verhaftet wurde. Die kanadische Polizei habe ihn dann zurückgebracht

Natürlich lassen wir uns diesen Spaziergang nicht entgehen, verzichten jedoch hasenfüssig auf nervenkitzelnde Eskapaden. Immerhin kontrolliert MonCa persönlich einen Grenzpfosten. Die im Hintergrund im Park postierten Beamten in ihren weissen Fahrzeugen mit grüner Beschriftung werten dies jedoch nicht als unerlaubtes Eindringen. Und darum haben wir die United States Border Patrol auch nicht persönlich kennengelernt. Vorher erledigten wir jedoch noch all das, was halt so vor der Rückgabe eines Motorhomes zu erledigen ist.

Freitag, 27. September 2013

An einem solchen Tag und nach der gestrigen Sonnenpracht muss es fast zwangsläufig regnen. Wir erledigen unaufgeregt die letzten Handgriffe und verlassen den Pazific Border RV Park zeitgerecht. Keine halbe Stunde später erreichen wir pünktlich den Vermieter Canadream in Delta. Die Rückgabe „unseres“ Motorhomes verläuft erwartungsgemäss reibungslos. Wir haben den Sunseeker gut  vorbereitet. Nach einer kurzen Diskussion betreffend einer seit Fahrzeugübernahme fehlenden Unterschrift und der nun fälligen Rückerstattung der Kaution sind bald alle Formalitäten erledigt.

Kurze Zeit später sitzen wir im Taxi. Der Driver ist augenfällig ein Inder, für uns sehr ungewohnt mit einem Tastar (indischer Turban) gekleidet. Sein Englisch ist schwer zu verstehen, aber er liefert uns immerhin ohne wesentliche Komplikation im Sutton Palace Hotel in Vancouver Down Town ab.

Wir rüsten uns für eine Begegnung mit Vancouver bei Regenfall. Zugegeben, der Horizont ist unter dem Regenschirm etwas eingeschränkt. Naturgemäss sind wir unter diesen Umständen darum auch eher in als ausserhalb von Gebäuden anzutreffen. Wir erkunden und beobachten und freuen uns, dass gegen Abend der Regenfall aufhört. Nun sieht alles wieder ganz anders aus. Die Ambiance in dieser Stadt gefällt uns ungemein. Wir kehren nach einem feinen Apéro zurück zum Hotel und klären, wo wir uns denn heute Abend verpflegen wollen. In den diversen Unterlagen taucht ein Restaurant  „Five Sails“ aus. Das scheint uns eine akzeptable Lösung und wir ziehen los Richtung Canada Place. Wir landen mitten in einer Filmaufnahme und werden zu unserem Vergnügen vom Hilfspersonal gestoppt. Hier werden Szenen für eine kanadische Fernsehserie abgedreht. Doch bald geht’s es weiter, immerhin braucht es aber die Hilfe eines Polizisten, damit wir das „Five Sails“ finden.

Wir geniessen ein tolles Dînner mit sechs wunderbaren kleinen feinen Gängen und jeweils passendem Wein. Natürlich haben wir uns in den vergangenen fünf Wochen dank dem hingebungsvollen Einsatz von MonCa doch auch gepflegt verpflegt. Aber der heutige Abend ist eine wundervolle Steigerung. Wir lehren auch einen der begabten Köche kennen. Es ist ein Österreicher, der seit 35 Jahren in Vancouver kocht. Vorher war er für kurze Zeit auch in Zürich im Atlantis tätig. Seine heutige Frau ist im „Five Sails“ für den Service verantwortlich. Wie üblich wurden wir gefragt, woher wir denn kommen. Und das Stichwort „Schweiz“ führte zur Begegnung mit „ihrem“ Chefkoch. Es sind diese kleinen aber so reizenden Stories, welche uns in den vergangenen Wochen so unglaublich angesprochen haben.

Samstag, 27. September 2013

Vancouver ist heute eine Stadt mit etwas über 600‘000 Einwohner. Sie wurde 1886 aus einer vormals kleinen Holzfällersiedlung gegründet und wuchs stark und schnell. In der kürzeren Vergangenheit waren es vor allem die Expo 1986 und die XXI. Olympischen Winterspiele 2010, welche die internationale Bekanntheit massgeblich gefördert haben.

Durchschnittlich regnet es in Vancouver an 166 Tagen im Jahr. Die Chance für nasses Wetter ist also deutlich höher als andernorts. Diese Chance nutzen wir voll. Die Niederschläge am heutigen Samstag sind zeitweise beeindruckend. Während der schlimmsten Regenperiode sitzen wir glücklicherweise im kleinen und unscheinbaren „Café des Art“ und geniessen einen grossen Becher Cappuccino. Der wird von einem geschmacklich wunderbaren, in der physischen Handhabung jedoch hochkomplexen Sandwichturm begleitet. Sobald es etwas zu schonen beginnt, wagen wir uns wieder auf die Strasse. Die dreispurige Strasse rund um das Olympiastadion ist von den Tribünenrampen desselben überdeckt. Damit wird auch unser Regenschirm etwas entlastet

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Die benachbarte Rogers Arena ist das Heimstadion der Vancouver Canucks (NHL) und bietet Platz für über 18‘000 Hockeyfans. Wir haben uns sagen lassen, dass selbst bei einem gewöhnlichen Meisterschaftsspiel in der NHL (und was ist in dieser Liga schon gewöhnlich) für ein Platz CAN$ 100.00 zu bezahlen sind

Im Fanshop der Canucks trocknen wir etwas Füsse und Schirm und wandern bald weiter durch den nun etwas weniger strömenden Regen zum Chinesischen Garten. Der kostenpflichtige Teil ist nicht nur deutlich schöner als der öffentliche Teil, sondern bietet zusätzlich mehrheitlich noch einen überdachten Regenschutz. Das erhöht seine Attraktivität momentan für uns substantiell. Das angrenzende China Town ist nach San Francisco die zweitgrösste chinesische Siedlung Nordamerikas. Nach einem sehr kurzen Abstecher wenden wir uns aber rasch wieder Richtung Down Town. China Town ist definitiv nicht unser Lieblingsstadtteil. Fairerweise darf das nun aber nicht auch noch dem Regen in die Schuhe geschoben werden.

Wir geniessen im hoteleigenen Restaurant ein gutes Nachtessen und nutzen die verbleibende Zeit zur Reisevorbereitung für die nächste Destination: Toronto.

Sonntag, 29. September 2013

Unsere iPhones reissen uns um 06.30 Uhr aus den Federn. Nach einer wirklich grossartigen Douche verpacken wir unser restliches Reisegepäck und steigen ins Taxi. Der Taxidriver bietet beste Unterhaltung. Wir erfahren seine zurückhaltend ausgedrückt nicht wirklich stürmische Begeisterung für die vergangene Winterolympiade und kennen jetzt die Gründe dafür im Detail. Dass es für ihn allerdings nur eine wirkliche Sportart gibt, ist in Kanada wohl eher normal. Und die Eishockeyspiele waren darum die einzige positive Begleiterscheinung der Olympischen Winterspiele. Und die Saison der NHL habe leider noch immer nicht angefangen. Und er berichtet, dass zwar Exhibition Games gespielt werden. Und mit einem Schuss Selbstironie meint er „… the only games in Canada that do not matter“.

Nach einem nordamerikanischen Frühstück im Vancouver Airport wandern wir dann in aller Ruhe Richtung unseres Abfluggates. Wir haben allerdings etwas Mühe, das Richtige zu finden und fragen jetzt bereits deutlich unruhiger um Unterstützung. Man schickt uns zurück und dann links oben … Da gibt es noch noch drei „versteckte“  Gates, welche uns schlicht entgangen sind. Wir werden bereits sehr ungeduldig erwartet. Der Auftrag Mrs. und Mr. Sommer auszurufen kann gerade noch widerrufen werden. Das Boarding war für uns allerdings noch nie so effizient wie diesmal. Man sollte diese Variante ernsthaft auch künftig erwägen, benötigt dafür aber auch Nerven wie Drahtseile…

Toronto erwartet uns mit deutlich höheren Temperaturen. Und einen Regenschirm braucht es hier im Moment auch nicht. Wir beziehen unser Hotelzimmer und machen einen ersten Bummel durch die Umgebung. Es ist eine deutlich andere Stimmung in dieser Stadt. Uns scheint, dass an diesem Sonntagabend halb Toronto auf den Beinen und unterwegs ist. Wir geniessen eine recht gute Verpflegung, die Menge des Gebotenen ist gar kanadisch.

Neueste Kommentare

23.09 | 00:53

Hallo Kanada, hier Schweiz. Toll was ihr alles erlebt und herzlichen Dank für alle Info. Wann wird das Schild Summerhous in Adliswil angebracht? Viele Grüsse Do

22.09 | 08:17

HALLO SCHWEIZ, LEBT IHR NOCH ...

18.09 | 18:32

In Blairmore ist es noch ärger:
5 Grad, Regen, auf den umliegenden Berghängen ist es weiss..!

18.09 | 08:10

In der Schweiz sei es nass und kühl...?